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Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht

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Richterin beim Arbeitsgericht

Gleichbehandlung im Arbeitsrecht

Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein fundamentales Prinzip im Arbeitsrecht, das Arbeitgeber verpflichtet, Mitarbeiter fair und ohne willkürliche Unterscheidung zu behandeln. Der Grundsatz leitet sich aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Artikels 3 Grundgesetz ab und findet seine konkrete Ausprägung in verschiedenen arbeitsrechtlichen Normen und der Rechtsprechung. Er verbietet Arbeitgebern, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund zu benachteiligen oder zu bevorzugen.


Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist in der Praxis besonders relevant bei


  • der Gewährung freiwilliger Leistungen

  • der Gestaltung von Arbeitsbedingungen

  • bei Entscheidungen über Beförderungen

  • bei Entscheidungen über Kündigunge.

Historie und rechtliche Grundlage

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hat seine Wurzeln im allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Artikel 3 Absatz 1 GG besagt: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Diese verfassungsrechtliche Vorgabe wurde im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung auf das Arbeitsrecht übertragen und konkretisiert.


Die erste bedeutende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht datiert aus dem Jahr 1954. Seitdem hat sich dieser Grundsatz durch zahlreiche Urteile zu einem festen Bestandteil des Arbeitsrechts entwickelt


Neben der verfassungsrechtlichen Verankerung findet der Gleichbehandlungsgrundsatz auch in anderen Rechtsquellen Ausdruck:


  • § 75 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verpflichtet Arbeitgeber und Betriebsrat, darüber zu wachen, "dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden".

  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 konkretisiert den Schutz vor Diskriminierung im Arbeitsleben.

  • § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Grundsatz von Treu und Glauben wird ebenfalls zur Begründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes herangezogen



Inhalt und Anwendungsbereich


Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund schlechter zu behandeln als andere Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage. Er gilt für alle Aspekte des Arbeitsverhältnisses, insbesondere für:


  • Vergütung und Sonderzahlungen

  • Arbeitszeit und Urlaubsregelungen

  • Beförderungen und berufliche Entwicklung

  • Kündigungen und andere arbeitsrechtliche Maßnahmen


Voraussetzungen der Anwendung


Damit der Gleichbehandlungsgrundsatz zur Anwendung kommt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:


  1. Es muss eine Vergleichsgruppe von Arbeitnehmern in ähnlicher Lage existieren.

  2. Der Arbeitgeber muss für diese Gruppe eine einheitliche Regelung oder Praxis geschaffen haben.

  3. Ein Arbeitnehmer oder eine Teilgruppe wird von dieser Regelung ausgenommen oder anders behandelt.

  4. Es liegt kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor.


Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer

Die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern ist zentrale Voraussetzung für die Anwendung. Arbeitnehmer gelten als vergleichbar, wenn sie sich in einer im Wesentlichen gleichen Situation befinden. Dies kann sich auf verschiedene Faktoren beziehen:


  • Art der ausgeübten Tätigkeit

  • Qualifikation und Berufserfahrung

  • Hierarchische Position im Unternehmen

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit


Absolute Gleichheit nicht erforderlich ist. Eine wesentliche Vergleichbarkeit genügt.


Gründe für Ungleichbehandlung


Nicht jede Ungleichbehandlung verstößt gegen den grundsatz der Gleichbehandlung. Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer unterschiedlich behandeln, wenn dafür sachliche Gründe vorliegen. Die Beweislast für das Vorliegen sachlicher Gründe liegt beim Arbeitgeber. Als sachliche Gründe können gelten:


  • Unterschiedliche Leistungen oder Qualifikationen der Arbeitnehmer

  • Betriebliche Erfordernisse

  • Wirtschaftliche Gründe des Unternehmens

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit

  • Unterschiedliche tarifliche oder vertragliche Regelungen


Besondere Anwendungsbereiche


Freiwillige Leistungen

Der Gleichbehandlungsgrundsatz spielt eine besonders wichtige Rolle bei der Gewährung freiwilliger Leistungen durch den Arbeitgeber. Hierzu zählen:


  • Weihnachts- oder Urlaubsgeld

  • Betriebliche Altersversorgung

  • Sonderurlaub

  • Firmenwagen zur privaten Nutzung


Gewährt der Arbeitgeber solche Leistungen an einen Großteil der Belegschaft, darf er einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen nicht ohne sachlichen Grund davon ausnehmen


Kündigungen

Auch bei Kündigungen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Werden beispielsweise bei einer betriebsbedingten Kündigung Auswahlkriterien festgelegt, müssen diese für alle betroffenen Arbeitnehmer gleich angewendet werden.


Entgeltgleichheit

Ein besonders wichtiger Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen. § 3 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) konkretisiert diesen Grundsatz: "Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten."


Rechtsfolgen bei Verstößen

Verstößt ein Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, können sich daraus verschiedene Rechtsfolgen ergeben:


  1. Anspruch auf Gleichbehandlung: Benachteiligte Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf, die vorenthaltene Leistung oder Vergünstigung ebenfalls zu erhalten.

  2. Schadensersatz: In bestimmten Fällen, insbesondere bei Verstößen gegen das AGG, können Schadensersatzansprüche entstehen.

  3. Unwirksamkeit von Regelungen: Betriebliche Regelungen oder Vereinbarungen, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, können unwirksam sein.

  4. Anpassung "nach oben": Bei einer unzulässigen Ungleichbehandlung erfolgt in der Regel eine Anpassung zugunsten der benachteiligten Arbeitnehmer, nicht eine Verschlechterung für die bisher Begünstigten.


Grenzen des Grundsatzes

Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat auch Grenzen:


  • Einzelfallregelungen: Individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern sind grundsätzlich zulässig und fallen nicht unter den Gleichbehandlungsgrundsatz.

  • Geringfügigkeitsgrenze: Nach der Rechtsprechung des BAG liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, wenn weniger als 5% der Arbeitnehmer einer Vergleichsgruppe begünstigt werden.

  • Tarifliche Regelungen: Tarifverträge sind grundsätzlich nicht an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden.

  • Betriebsvereinbarungen: Auch Betriebsvereinbarungen unterliegen nur eingeschränkt dem Gleichbehandlungsgrundsatz.


Verhältnis zum AGG

Das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz konkretisiert und erweitert den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es verbietet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität


Wichtige Unterschiede zum allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz sind:

  1. Das AGG gilt bereits im Bewerbungsverfahren.

  2. Es sieht spezifische Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche vor.

  3. Das AGG enthält besondere Beweiserleichterungen für Betroffene.


Rolle des Betriebsrats


Der Betriebsrat spielt eine Rolle bei der Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Gemäß § 75 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, "dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.".


Der Betriebsrat hat verschiedene Möglichkeiten, auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hinzuwirken:


  1. Überwachungsfunktion

  2. Initiativrecht für Maßnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung

  3. Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen

  4. Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Konkretisierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes


Praxisbeispiele und Rechtsprechung


Die Rechtsprechung hat den Gleichbehandlungsgrundsatz in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert. Einige Beispiele:


Weihnachtsgeld

Gewährt ein Arbeitgeber Weihnachtsgeld an einen Großteil der Belegschaft, darf er einzelne Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen davon ausnehmen (BAG, Urteil vom 12.10.2005 - 10 AZR 640/04)


Altersgrenze

Eine Regelung, die Arbeitnehmer ab einem bestimmten Alter von Gehaltserhöhungen ausschließt, verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das AGG (BAG, Urteil vom 23.07.2015 - 6 AZR 457/14)


Betriebliche Altersversorgung

Eine Differenzierung nach der Art des Arbeitsverhältnisses (Vollzeit/Teilzeit) bei der betrieblichen Altersversorgung kann zulässig sein, wenn sie auf sachlichen Gründen beruht (BAG, Urteil vom 20.02.2018 - 3 AZR 21/16).



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